Nicht nur bei der Pflege erweist sich das Klavier als sensibel, sondern auch bezüglich des Stellplatzes gibt es einiges zu beachten. Während es auf den ersten Blick aufgrund seiner prachtvollen Größe sofort ins Auge springt, muss in erster Linie die optimale Entfaltung des Klangs im Raum stehen. Zudem sollte die Stimmung des Instruments möglichst lange erhalten bleiben. Grundsätzlich gilt es zu bedenken:
Hat man es nun verabsäumt sich die einen oder anderen Gedanken um den Stellplatz zu machen, das Klavier aber bereits aus lauter Enthusiasmus gekauft, wird man spätestens nach dem ersten Besuch des Klavierbauers oder der Klavierbauerin auf potentielle Schwächen des kurzfristig ausgewählten Platzes hingewiesen. Wie bereits erwähnt, gibt es den perfekten Standort zumeist nicht, jedoch lässt sich durchaus ein nahezu perfekter Platz finden, unter Beachtung folgender Punkte.
Ob nun eindrucksvolles Klavier oder ausdrucksstarker Flügel - Akustik ist das um und auf. So überrascht es kaum, dass dies ein essentieller Punkt in Sachen Standortwahl ist.
Zuallererst sollte das Piano/Raum-Verhältnis stimmen, man sollte daher schon vor dem Kauf die ungefähre Raumgröße kennen. Denn ein großes Instrument kann in einem zu kleinen Raum bisweilen zu wuchtig klingen. Hingegen ist es eher unwahrscheinlich, dass ein Piano zu klein für einen normalen Wohnraum ist. Dies soll allerdings nicht heißen, dass sich ein größeres Instrument nicht lohnt. Als Faustregel gilt: Man sollte in Räumen, deren Grundfläche kleiner als 20 Quadratmeter beträgt kein Klavier aufstellen, das mehr als 120 Zentimeter Höhe besitzt. Beinahe wichtiger als die nominelle Raumgröße ist die Raumakustik. Sie entscheidet maßgeblich, ob ein Instrument vollkommen und harmonisch klingt.
Es existieren zwei physikalische Phänomene, welche die Raumakustik im Großen und Ganzen prägen - Schallreflexion und Schallabsorbtion. Ob in einem Raum beides im Einklang ist, oder eines von beiden dominiert, wird durch den Innenausbau und durch das Interieur bestimmt.
In erster Linie gilt es, übermäßige Schallabsorbtion zu vermeiden. Sind in einem Raum zu viele weiche und unregelmäßige Strukturen zu finden, wird der auftreffende Schall zumindest teilweise von diesen Oberflächen aufgenommen. Obertöne werden stärker absorbiert, und ein Instrument klingt in solch einem Raum matt und undynamisch. In der Spielpraxis bedeutet das, dass fingerfertige Nuancierung keine akustische Auswirkung mehr hat. Ein differenziertes Spiel auf hohem Niveau kann so nicht trainiert und ausgeübt werden. Hat ein Raum hingegen zu viele glatte, harte Flächen, kommt es zur unverhältnismäßigen Reflexion von Schall. Ist diese Gegebenheit vorrangig im Raum zu finden, klingt ein Instrument aufdringlich und lärmend. Selbst wenn das Spiel im Mezzopiano von Klangschönheit geprägt ist, wird spätestens ein leidenschaftliches Fortissimo in akustischer Hinsicht kaum erfreulich wirken.
Wie man ein Übermaß an Schallabsorbtion oder -reflexion korrigiert, ist einfach erklärt. Man nimmt räumliche Veränderungen vor, um die gegensätzliche Schallcharakteristik zu stärken. Ist ein Raum klanglich stumpf und matt, muss für mehr Schallreflexion gesorgt werden: Mehr glatte Flächen sind hier gefragt um dem Schall genügend Reflexionsmöglichkeiten zu bieten. Gibt es jedoch zu viel Schallreflexion, ist Schall absorbierendes Material gefragt. Dafür muss man seine vier Wände nicht in ein Tonstudio umbauen, denn viele Wohngegenstände haben akustische Eigenschaften, die man sich zunutze machen kann.
Wer also gewillt ist sein Klavier richtig aufzustellen, sollte versuchen, beide Akustikeigenschaften miteinander in Einklang zu bringen. Ein durchaus praktisches und zugleich wohnzimmertaugliches Element sind Vorhänge, die z.B. eine gläserne Fensterfront verdecken. Möchte man mehr reflektierende Oberflächen, dann rafft man die Vorhänge einfach zusammen.
Optimal, um in dessen Nähe das Klavier aufzustellen, bieten sich Bücherregale an, denn diese besitzen hervorragende Eigenschaften als Akustikelement. Sie absorbieren Schall, und wirken ebenso als Diffusor, da die Buchrücken den auftreffenden Schall kleinteilig in verschiedene Richtungen brechen. Als Faustregel, welche allen Ordungsmuffeln zugute kommt, gilt: Je chaotischer die Abstände der Buchrücken, desto besser die Wirkung als Diffusor.
Ein weiterer wichtiger Aspekt, der für den guten Standort erfüllt sein muss, ist das Raumklima. Klaviere und Flügel (außer E-Pianos) reagieren äußerst empfindlich auf Schwankungen von Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Der plausible Grund hierfür liegt darin, dass diese Instrumente aus entsprechend anspruchsvollen Materialien bestehen. Holz arbeitet mit wechselnder Luftfeuchtigkeit!
So können fatale Risse im Holz entstehen, wenn bestimmte Werte nicht kontrolliert und korrigiert werden. Leimfugen können unter der Wechselbelastung nachgeben. Bei dauerhaft hoher Luftfeuchtigkeit kann sich Schimmel bilden. Selbst das im Piano zu findende Metall ist auf stabile klimatische Verhältnisse angewiesen. Hier führt zu hohe Raumfeuchte zu Wasseranhaftungen und Oxidation, während die Saiten bei direkter Sonneneinstrahlung schnell verstimmen.
Probleme, welche aus klimabedingten Werkstofffehlern entstehen sind heimtückisch und kommen schleichend: Klappern, Knarzen, Saitenreißen, Missklang, Tastenhängen etc. Die wichtigsten klimatischen Kriterien an den Standort sind möglichst geringe: Am besten keine Luftfeuchtigkeits- und Temperaturschwankungen, keine Zugluft und keine direkte Sonneneinstrahlung.
Optimal ist eine Raumtemperatur von ca. 20°C, die relative Luftfeuchtigkeit sollte 50% betragen. Diese Werte sind nicht in Stein gemeißelt, und es ist viel wichtiger, größerer Schwankungen zu vermeiden. Jede Veränderung der Raumfeuchte tangiert die Holzfeuchte, und die daraus resultierenden Holzbewegungen führen zu genannten Schäden oder Verstimmungen.
Bestimmte bauliche Eigenschaften im eigenen Heim begünstigen größere Schwankungen. So genießt die Fußbodenheizung keinen besonders guten Ruf bei Kennern des Instruments. Die wechselnden Temperaturen führen früher oder später zu Komplikationen. Ähnlich kritisch kann es auch sein, wenn man das Klavier an einer der Außenwänden aufstellt. In modernen, gut isolierten Häusern aber sollte dies kein allzu großes Problem darstellen.
Wie anfänglich erwähnt ist es höchstwahrscheinlich schwierig, den Idealen Platz nach allen Kriterien zu finden. Man muss bereit sein, Kompromisse einzugehen und Abstriche zu machen. Einen gut geeigneten Standort gibt es dennoch in so gut wie jedem Haushalt, denn letztlich kann die Klavierbauerin oder der Klavierbauer mit diversen Maßnahmen sowohl klangliche als auch klimatische Defizite in einem bestimmten Rahmen korrigieren. Schlussendlich steht dem passenden Standort nichts mehr im Wege, sofern die wenigen, zuvor genannten Dinge beachtet werden.
Klavierbaumeister seit 2003 Inhaber des Klavierhauses Streif seit 2006 Allg.beeid. u. ger. zert. Sachverständiger für Klaviere